Wo die Ritter ihre Runden drehen
Heute geht es hoch hinaus. Wir schauen hinter ein Türchen, hinter dem sich ein bekanntes Wahrzeichen unserer Stadt verbirgt: das Glockenspiel im Neuen Rathaus. Viele Münchner kennen es – und viele Touristen bleiben Tag für Tag am Marienplatz stehen, um zu schauen und zu lauschen. Doch so richtig nah an den Harlekin und die Ritter kommt niemand hin.
Das Glockenspiel ist im fünften Stock des Rathauses. Von dort schaut man auf den Marienplatz und aktuell auf den bunt geschmückten Christkindlmarkt. Die Figuren des Glockenspiels erinnern an die Heirat von Prinzessin Renate von Lothringen und dem Bayerischen Herzog Wilhelm V im Jahr 1568. Oben in 45 Metern Höhe drückt jemand auf den Knopf und das weltberühmte Spektakel beginnt. Dort oben, wo die Ritter raufen und der Harlekin hüpft, darf nämlich sonst niemand hin – nur zwei städtische Glockenspieler, also Mitarbeiter der Stadt, die das Wahrzeichen pflegen und täglich mehrmals die Stufen ins Herz der Anlage hochsteigen. Dort oben steht ein historischer Schaltschrank. Hinter seiner Glastür sind Hebel und Knöpfe montiert. Auf Täfelchen daneben steht “Hahn”, “Hanswurst” und “Schäfflermotor”.
Das Rathausglockenspiel ist das größte Deutschlands und das fünftgrößte Europas. Es wurde von 1907 bis 1908 gebaut und ein Jahr danach in Betrieb genommen. Und knapp 100 Jahre später, am 10. Februar 2018, rückte die Feuerwehr an. Brand in der Elektrik! Ein Relais der historischen Steuerung war durchgeschmort. Deswegen steht nun links neben der denkmalgeschützten Schaltanlage ein moderner Technikschrank. Das mit Solarstrom betriebene Glockenspiel startet täglich um 11 und um 12 Uhr, weil einer der beiden Glockenspieler die grünen Knöpfe an dem grauen Kasten drückt. So können sie das Spiel der insgesamt 32 lebensgroßen Kupferfiguren auch stoppen, also auch den Schäfflertanz unter dem Ritternturnier.
Von März bis Oktober ist es zusätzlich um 17 Uhr zu sehen und zu hören. Spielwalzen erzeugen die Musik, die auch per Knopf gestartet wird. Es erklingen immer vier Lieder, die monatlich wechseln. Es gibt über 20 Melodien, von “Aber heit is kalt”, dem Traditionslied der Münchner Schäffler, bis “Oh Tannenbaum”, jetzt im Dezember.
Abends lauchen auch ein paar Menschen um 21 Uhr, wenn der Nachtwächter in sein Horn bläst und die Engel das Münchner Kindl zu Brahms’ Wiegenlied ins Bett bringen. Dann schläft es – bis es tags drauf wieder Applaus von vielen Touristen für das Glockenspiel gibt.
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